Die Filmstarts-Kritik zu The Weather Man (2024)

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The Weather Man

Kritik der FILMSTARTS-Redaktion

3,5

gut

The Weather Man

Von Lars Lachmann

Was exakte Wettervorhersagen betrifft, begeben sich selbst Profis mitunter auf dünnes Eis, denn nicht immer lässt sich aus diesem im Grunde chaotischen System, in welchem kleinste Faktoren ungeheure Auswirkungen mit sich führen können, die tatsächliche Entwicklung des Wetters vorausberechnen. Dass sich das gleiche Prinzip auf unser tägliches Leben – ganz zu schweigen von unseren Vorstellungen vom tatsächlichen Verlauf unseres Lebens im Ganzen – übertragen lässt, zeigt Gore Verbinski in seiner Tragikomödie „The Weather Man“.

Winter in Chicago. Gerade an diesem Ort ist die Wetterlage zu fast allen Jahreszeiten teils erheblichen Schwankungen ausgesetzt, so dass dem Wetterbericht eine noch schwerwiegendere Bedeutung als anderswo zukommt. Die Wetterleute aus dem regionalen Fernsehen genießen deshalb nicht selten einen hohen Bekanntheitsgrad. Zu ihnen gehört auch David Spritz (Nicolas Cage), der die Ansagen für einen lokalen Fernsehkanal übernimmt. Obwohl er sich bei diesem Job seinem Publikum auch bei den schlimmsten Vorhersagen stets als Strahlemann präsentiert und damit obendrein nicht gerade schlecht verdient, ist er was sein Privatleben angeht dennoch zutiefst unglücklich. Die Trennung von seiner Frau Noreen (Hope Davis) hat er noch längst nicht überwunden. Auch die Situation der zwei gemeinsamen Kinder bereitet ihm Sorge. Tochter Shelly (Gemmenne de la Peña) ist übergewichtig und wird deshalb von ihren Schulkameraden gehänselt. Auch Davids Versuche, ein interessantes Hobby für seine Tochter zu finden, wollen nicht fruchten. Sohn Mike (Nicholas Hoult) hat ebenfalls Probleme, die mit seinen Besuchen beim persönlichen Drogenberater keinesfalls weniger werden. Davids Vater Robert (Michael Caine), ein erfolgreicher Schriftsteller, wird vom Arzt ein äußerst kritischer Gesundheitszustand attestiert. Als David zu einem Vorsprechen beim nationalen Sender „Hello America“ eingeladen wird, welches ihm einen erheblichen Karrieresprung in Aussicht stellt, sorgt der zunehmende Gegensatz zwischen beruflichem Hoch und privatem Tief für zusehends heftigere Turbulenzen...

Verbinski zeigt uns am Beispiel der Figur des Wetteransagers David einiges über Schein und Sein einer vom Erfolgsdenken geprägten Lebenseinstellung, welche insbesondere in der amerikanischen Gesellschaft verwurzelt ist. Die nach außen hin charmante Weise, mit der David Spritz – der ursprüngliche Nachname Spritzer wurde aus PR-bedingten Gründen geändert – seinen Zuschauern die wöchentlichen Kälteeinbrüche als „Eiszapfentage“ präsentiert, findet seine Entsprechung in seinem täglichen Umgang mit anderen Menschen. Denn nicht nur bei ihm verbirgt sich hinter einer heiteren Fassade oftmals eine tiefe Traurigkeit und Unzufriedenheit. Dies gilt für die problembeladenen Angehörigen seiner zerrütteten Familie ebenso, wie für viele seiner Fernsehzuschauer, welche ihn auf der Straße um ein Autogramm bitten. Wagt es David einmal, sich in solch einer Situation nicht von seiner Sonnenseite zu zeigen und ihrem Wunsch nicht nachzukommen, sieht er sich sogleich mit deren eigenem Frust konfrontiert, welcher sich bestenfalls in Beschimpfungen äußert. Nicht selten wird er gleich ohne Vorwarnung aus vorbeifahrenden Autos mit Milchshakes oder Essensresten beworfen. Kein Wunder, dass er sich als Wetteransager, der kaum Ahnung von Meteorologie hat und bloß täglich seine Show vor dem Bluescreen abzieht, mitunter selbst schon wie Fastfood vorkommt.

Die Handlung von „The Weather Man“ zeichnet sich dabei – wie das Phänomen Wetter selbst – konsequenterweise immer wieder durch seine Unvorhersehbarkeit aus und vermag als solche den Zuschauer ein ums andre Mal zu überraschen. Denn auch um dieses chaotische Element geht es in dieser Tragikomödie, die durch teils skurrile Situationskomik zum Schmunzeln anregt, unter deren schillernder Oberfläche sich insgesamt jedoch eine viel tiefer greifende, grundlegende Tragik verbirgt. Verbinski gelingt auf diesem Weg eine stimmige Einheit von Inhalt und Form seines Werks.

Das Thema Unberechenbarkeit, angewandt sowohl auf das Wetter wie die Lebenssituation des Protagonisten, lässt sich auch in der Bildsprache wieder finden: Hier ist es vor allem die Metapher des Eises, die sich als Leitmotiv durch den Film zieht. Angefangen bei der ersten Einstellung, welche sich bildende Einsschollen am Ufer des Michigansees zeigt. Besonders eindrucksvoll ist eine Szene, in welcher David, der sich mit dem Bogenschießen das ursprünglich für seine Tochter bestimmte Hobby selbst zu eigen gemacht hat, eine vom Eis umhüllte Zielscheibe mit Pfeilen beschießt, welche die Eisschicht an der Einschussstelle zwar durchdringen, die Scheibe selbst aber nicht vom Eis befreien können. Bildlich gesehen lässt sich diese Situation auf seine Bestrebungen übertragen, sein Leben und das seiner Angehörigen allen Widrigkeiten zum Trotz in den Griff zu bekommen und das Eis zwischen ihnen zum Schmelzen zu bringen.

Als „Weather Man“ David Spritz gelingt es Nicolas Cage als einem der gegenwärtig vielseitigsten Schauspieltalente Hollywoods ein weiteres Mal, eine komplexe Hauptfigur auf individuelle Weise mit Leben zu erfüllen, was ihm zuvor schon in brillantester Weise in Filmen wie Leaving Las Vegas oder Adaption gelungen ist. Sir Michael Caine mimt mit Robert Spritzer, Davids Vater, eine Art Kontrastfigur zum geplagten Protagonisten, die nicht unbedingt weniger leidet, sich jedoch durch einen unerschütterlichen Stoizismus auszeichnet. Und seinen Ausspruch „Easy doesn‘t enter into grown up life“ („Nichts ist leicht in der Erwachsenenwelt“), nimmt der Zuschauer wohl keinem so glaubhaft ab wie ihm.

Trotz einiger gewagt inszenierter, komischer Elemente, denen oftmals ein hoher Wiedererkennungswert anhaftet, sind es dennoch die eher tiefen, melancholischen Töne, die „The Weather Man“ dominieren und ausmachen. Auf einer analytischen Ebene wird das gesellschaftliche Erfolgsideal auf subtile Weise hinterfragt. Emotional zeichnet sich der Film durch eine nicht unerhebliche Schwere aus, die den Zuschauer schon mal wie ein eisiger Windhauch erfasst, weshalb er ohnehin schon zu Schwermut neigenden Personen vielleicht auch nur bedingt zu empfehlen ist.

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